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REPORTAGE - ALTER FRIEDHOF

Veröffentlicht am 20.12.2021 von Maike Otto - E-Mail: presse@buesum.de - 6.472 Zeichen (inkl. Leerzeichen)

Stille erfahren

Ein Besuch auf dem alten Büsumer Friedhof

„Ich komme schon seit vielen Jahren zum Urlaub nach Büsum, aber hier war ich noch nie“, so entfuhr es einem Teilnehmer vor ein paar Jahren, als eine Gruppe während des großen Ortsrundgangs den alten Friedhof in der Bahnhofstraße besuchte. Er ist im Vorbeigehen leicht zu übersehen und kein Schild weist an der Straße auf ihn hin. Nur dort, wo das Blattwerk der Hecke etwas licht ist, schimmern hier und da einzelne Grabsteine durch. 1842 wurde dieser Friedhof geschaffen. Die Witwe des Pastoren Haelsen stiftete damals 960 Mark, so war es möglich, das Vorhaben zu verwirklichen.

Hier wird schon seit Langem niemand mehr bestattet, die Anlage hat sich zu einer parkartigen Oase der Stille und Besinnung entwickelt. Auf diesem Friedhof ruhen Menschen, die vor fast 250 Jahren geboren wurden. Sie lebten, als die Französische Revolution stattfand oder später Napoleon herrschte. In dieser Zeit schrieben Goethe und Schiller ihre Werke und die Eisenbahn trat auch in Deutschland ihren Siegeszug an. Im Zuge der Nationalstaatsbewegung im Norden führten die Spannungen zwischen Dänemark und dem Deutschen Bund zu kriegerischen Auseinandersetzungen. Später geborene der hier liegenden haben Aufstieg und Niedergang des Kaiserreichs und die folgenden Jahrzehnte miterlebt. Wir finden Grabmale, deren Inschriften so verwittert sind, dass die Inschriften kaum oder gar nicht mehr lesbar sind, und trotzdem bezeugen ihre Verzierungen die Ehrung der bestatteten Person. Wie sagte schon der Grieche Perikles vor zweieinhalbtausend Jahren: „Die Kultur einer Gesellschaft erkennt man am Umgang mit ihren Toten.“ Wer am Eingang den Weg nach rechts wählt, passiert den überdachten Grabstein des ehemaligen Büsumer Pastors Gazert. Er war es, dem 1807 von seiner alten Kirchengemeinde auf Föhr das in der Büsumer St. Clemens Kirche hängende Schiff mit dem Namen „Der milde Herbst“ für seine neue Wirkungsstätte mitgegeben wurde. Ein Kreuz oberhalb des Textfeldes und eine Bibel darunter zieren das Grabmal. Entlang unseres Weges zwischen Eiben, Eschen, Platanen, Buchen und anderen Bäumen sehen wir auf manchem Grabstein Kreuz, Herz und Anker, welche als Erkennungszeichen für Glaube, Liebe und Hoffnung sowie des Halts im Glauben stehen. Aber auch Efeu als Charakterisierung für Ewigkeit, Hände die sich gereicht werden als Zeichen der Verbundenheit, der Unendlichkeit symbolisierende Ring oder Kränze als Bildsymbol des Sieges sind vielfach gewählte Symbole. Wer aufmerksam hinschaut, erkennt, dass vor über hundert Jahren Menschen schon ein beachtliches Alter erreichen konnten.

Manche der alten Grabstätten sind von Eiben und Sträuchern so sehr umwachsen, dass sie, verborgen hinter dichtem Astwerk mehr zu erahnen als zu erkennen sind. Beim Durchqueren des Friedhofs gelangen wir an die Grabstätte des Fischers Hans Jacob Reiher und seiner Frau. Ihm zu Ehren wurde die Hans Reiher Straße in Büsum benannt. Eine Anerkennung seiner guten Tat, als er zusammen mit zwei anderen Fischern Kinder von einer in die Nordsee treibenden Eisscholle vor dem sicheren Tod rettete. Beim großen Ortsrundgang wird das Gedicht über dieses Ereignis vorgetragen. „Die Liebe höret nimmer auf“ lesen wir auf dem Stein. „Du bist so früh gegangen, Du wirst so schwer vermisst, Du hattest uns so lieb, daß man Dich nie vergißt“. Mit diesen Worten ehrten die Hinterbliebenen einen Schmiedemeister, wie auf seinem Grabstein zu lesen ist. Dieser ist zwei Wochen vor seinem 30. Geburtstag als „treu sorgender Gatte und liebevoller Vater“ verstorben. Es gibt im Leben nicht eine Sekunde verschwendete Zeit zurück, niemand weiß wann die letzte Stunde schlägt: „...lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf das wir klug werden…“ heißt es im Psalm 92. Dies wird uns spätestens am Grabstein einer mit 19 Jahren verstorbenen Person klar. Einige Gräber weiter lautet das freundliche Andenken an die Eltern: „Wer treu gewirkt, bis ihm die Kraft gebricht und liebend stirbt, ach den vergisst man nicht“. Wir können nur ahnen, welche menschlichen Tragödien und Schicksale sich hinter manchen Inschriften verbergen. Was aber hat es mit dem traktorartigen, nach Dampflokomobile oder Feuerspritze aussehendem Gefährt im Grabmal der an jener Stelle bestatteten Person auf sich? War es ein hochrangiger Feuerwehrmann aus Büsum oder der Besitzer einer Dampflokomobile welcher hier seine letzte Ruhe fand? Die verwitterte Inschrift darüber ist nicht mehr zu entziffern, es bleibt nur Raten und Vermuten.

Ein Gedenkstein besonderer Art begegnet uns in der Nähe des Eingangs am Mittelweg des Friedhofs: Wer Anfang September dort stehen bleibt, entdeckt Kränze und Blumen, welche von einer dänischen Delegation und Büsumer Honoratioren an dieser Stelle niedergelegt wurden. Das Gedenken gilt sechs namentlich genannten dänischen Seeleuten, welche am 3. September 1813 während eines Seegefechts mit englischen Schiffen vor Büsum ums Leben kamen. Dänemark hielt zu Napoleon und England gehörte zu seinen Gegnern. Gegenüber erinnert in einer kreisförmigen Anlage ein Stein neben einem Anker zum Gedenken an die Opfer der Flucht über die Ostsee 1945. Bei Rundgängen ist in Gesprächen oft zu hören, dass es in manchen Familien Vorfahren mit ostpreußischen Wurzeln gibt. Diese überlebten seinerzeit nur deshalb, weil sie für bestimmte Schiffe keine Fahrkarte mehr bekamen. Vier Marinesoldaten starben 1850 vor der Eidermündung während der schleswig-holsteinischen Erhebung gegen Dänemark für die Sache Schleswig-Holsteins. Sie ruhen unweit der Dänen nur wenige Meter weiter in ihrem Grab. In unmittelbarer Nachbarschaft erinnert die Besatzung der S.M.S. Albatros an ihre drei Kameraden, die Obermatrosen Wermelskirchen, Borgaes und Meinerling. Auf dem Rückweg vom Landgang in Büsum zum Schiff kenterte ihr Boot. Rettungsversuche blieben erfolglos, die drei wurden mit dem ablaufenden Wasser fortgetrieben und ertranken in der Nordsee. Es ist lohnenswert sich auf den alten Friedhof einzulassen und neugierig mit allen Sinnen durch den parkartigen Friedhof zu streifen. Hier spürt man das Leben der Natur im Rauschen der Blätter oder durch das Zwitschern der Vögel.

Während einer Rast kann man über die beiden letzten Zeilen aus dem Gedicht „Stufen“ von Herrmann Hesse nachdenken:

Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden…

Wohlan denn Herz, nimm Abschied und gesunde!

 

Wahre Worte, die noch lange nachklingen, wenn man diese Ruhe Oase durch den unscheinbaren Ausgang wieder verlässt.

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